Jahreszeiten

Liebe Kirchengemeinde,

wir leben in einer sehr interessanten Zeit der Menschheit und auch im Leben der Kirche. Vom «Leben der Kirche in Europa» zu sprechen könnte von vielen schon als eine gewagte Aussage betrachtet werden. Hierzu einige Zahlen:

In Laufenburg hatten wir von 2019 bis 2022 einen Mitgliederschwund von ca. 12%. Es gab 158 Austritte. Damit liegen wir etwa beim Durchschnitt der Fricktaler Kirchengemeinden und auch dem der Landeskirche Aargau.

Noch alarmierender ist sind die Eintritte. Da hatten wir in Laufenburg von 2019 bis 2022 nur vier, davon drei in 2019 und einen in 2020. In 2021 und 2022 waren es null. Mit einem Aus-Eintritts Verhältnis von 40 (158/4) liegen wir stark über dem der Landeskirche, wo das Verhältnis bei 17 (4365/176) ist!

Ein anderes Bedenken ist, dass sich jüngere Erwachsene kaum noch für die Kirche zu interessieren scheinen. Vielleicht könnte man denken, dass es doch normal ist, dass das Interesse an Glauben und Kirche wächst, wenn man älter wird. Das ist allerdings nicht normal. Weltweit und historisch gesehen ist es normal, dass Kirchen voller junger Menschen sind, die daran interessiert sind, ihr Leben sinnvoll und ganzheitlich zu gestalten.

Wenn wir eine Firma wären, würden uns die Investoren die Tür einrennen und radikale Veränderungen und eine Verjüngung der Geschäftsleitung fordern. Wir sind allerdings keine Firma, von der ein jährlicher Profit erwartet wird. Wir sind auch keine politische Gemeinde, bei der es um möglichst viele Stimmen bei der nächsten Wahl geht. Die Massnahmen, die wir ergreifen können oder sollten, sind anders. Im spirituellen Leben der Menschen sind radikale Veränderungen, die man üblicherweise in der Geschäftswelt und in der Politik erlebt, kurzfristig kaum oder nur ganz selten möglich.

Welche Massnahmen sind dann möglich, was können wir tun?

Um die Motivation im Christlichen Glauben aktiv zu sein nicht zu verlieren, hilft es, wenn man eine grössere historische Perspektive einnimmt. Da sieht man schnell, dass die Kirche schon viele, sich wiederholende schwierige Zeiten, in den letzten 2000 Jahren überstanden hat. Man kann das «Leben der Kirche» als einen sehr langen, sich wiederholenden Zyklus, sehen, der sich jedes Mal über Jahrzehnte bis Jahrhunderte ausspielt.

Jesus sagte:

Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. (Markus 4,26.28)

Von der Landwirtschaft lernen wir uns an die Jahreszeiten zu richten. Es ist entweder Frühling, Sommer, Herbst oder Winter. Wenn wir verstehen, in welcher Jahreszeit wir uns gerade befinden, können wir dann auch gute Entscheidungen treffen, was zu tun ist.

Ich denke, die Kirche in Europa befindet sich gerade im tiefen Winter. Wenn man voller Tatendrang ist, ist das eine sehr schwierige Zeit. Es gibt nur sehr wenig zu säen und nichts zu ernten. Wenn man gerne nachdenkt und sich auf den kommenden Frühling vorbereiten will, ist es eine gute Zeit. Man hat seine Ruhe und kann nichts überstürzen. Und man hat Zeit um das, was vom Vorjahr noch übrig ist zu bewahren und das Haus in guter Ordnung zu halten.

Im modernen, hektischen Leben ist es nicht leicht, solch eine winterliche Aussicht zu halten. Wir haben uns daran gewöhnt, alles schnell zu kriegen. Wenn man ein Haus kaufen will, warum sollte man warten, bis jemand Geld für unsere Hypothek in der Bank deponiert, wenn die Bank das Geld doch auch per Knopfdruck generieren kann. Technologischer Fortschritt ermöglicht es uns alles immer noch schneller, noch effizienter zu machen. Wer hat da schon Zeit für einen Gott, der im Verhältnis zu einer menschlichen Lebensdauer eher sehr langsam agiert. So langsam, dass die meisten von uns nur eine oder zwei von Gottes Jahreszeiten erleben werden.

Angenommen wir sind im tiefen Winter, was können wir jetzt tun?

Als Beispiel haben wir hier das Leben von Jesus. Im Römischen Reich der damaligen Zeit war er nur ein kleines unbedeutendes Nichts. Eine Randbemerkung in den Geschichtsbüchern höchstenfalls. Aber es war Jesus, der die Saat säte, die die Welt eventuell radikal veränderte. Jesus startete den ersten Christlichen Frühling.

Hier sind einige Gedanken von mir, was man tun könnte:

  • Weitermachen! Speziell in der Reformierten Kirche haben wir viele biblische Doktrinen, Katechismus, Musik und Traditionen, die es absolut wert sind zu erhalten und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Das können wir nicht nur tun, das müssen wir tun! Eine ausführliche Behandlung dieses Themas könnte man in einer zukünftigen Ausgabe bringen.
  • Saat aussäen, wo es für die Jahreszeit Sinn macht. Als Kirche sollten wir zum Beispiel eine Verbindung mit den Flüchtlingen herstellen. Viele von denen sind auch Christen, die sich wahrscheinlich nach einer Christlichen Gesellschaft sehnen.
  • Christliche Missionen und Kirchen im Ausland unterstützen. Es gibt viele junge Kirchen die volle Energie sind. Aber es fehlt meistens das Geld, und diese Kirchen können sich oft nicht einmal Ihren eigenen Pfarrer leisten. Obwohl bei uns die Jugend im Moment fehlt und scheinbar kein Interesse hat, kann man Jugend auch woanders unterstützen.

Jedes Mitglied der Reformierten Kirche hat das Privileg und die Verantwortung, sich seine eigenen Gedanken darüber zu machen, was zu tun ist. Vorschläge sind willkommen!

Leider sind wir alle vom modernen anti-Christlichen Denken sehr beeinflusst, was es uns schwermacht, gute christliche Entscheidungen für die Zukunft zu treffen oder auch nur tiefer darüber nachzudenken. Die momentane moderne humanistische Denkweise sieht die Entwicklung der Menschheit als lineare Entwicklung. Alles von früher hat wenig wert und kann als veraltetes, minderwertiges Zeug weggeworfen werden. Da spricht man gerne vom Ende des Christlichen Zeitalters, das vor 2000 Jahren das jüdische Zeitalter ablöste und jetzt selbst an seinem eigenen Ende angekommen ist. Deswegen ist es doch nur logisch und richtig, dass man die Mitgliedschaft in der Kirche aufgibt und sich dem humanitären Zeitalter, wo Gott nicht mehr gebraucht ist, widmet. Oder man bleibt in der Kirche aber wandelt sie um, von einer biblischen zu einer humanitären Organisation.

Wahrscheinlicher ist aber, dass wir nicht am Ende des Christlichen Zeitalters, sondern am Ende des humanitären Zeitalters angekommen sind. Ein neues technozentrisches transhumanitäres Zeitalter ist im Moment absehbar als Möglichkeit. In diesem Zeitalter wird der humanitäre Mensch zu einem fluiden Wesen, das versucht sich vom eigenen Körper und von gesellschaftlichen Traditionen und Bindungen vollkommen abzulösen. Dazu vielleicht auch mehr in einer zukünftigen Ausgabe.

Egal was da kommt, wie unrealistisch es auch sein mag, wir dürfen den Christlichen Glauben nicht aufgeben, und es ist unsere Aufgabe, den kommenden Generationen die Christlichen Lehren und Traditionen weiterzugeben, damit auch sie ein sinnvolles und ganzheitliches Leben mit Gott dem Schöpfer haben können. Die Zukunft wird von denen geprägt die den Glauben und Ideen für ein Leben mit Gott bringen. Das Christentum hat seine eigenen Zyklen, und der nächste Frühling ist schon vor der Tür. Ich freue mich schon darauf.

Euer Kirchenpflegepräsident

Raimund Strauck

reformiert.
Gemeindebeilage der
Reformierten Kirche Region Laufenburg

Den neuen Kontakt vom November 2023 (in Farbe) finden Sie hier 

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